Sonntag, 19. Oktober 2014

Kapitel 3: Die Arbeit







Es ist Herbst- und mittlerweile sind es schon 42 Tage, die ich hier in Minsk verbracht habe, und auch wenn es ein Klischee ist komme ich nicht umhin mich zu fragen wo genau die Zeit eigentlich geblieben ist. Mir kommt es definitiv nicht vor wie über ein Monat, und doch merke ich schon wie sich in einigen Dingen so langsam der Alltag einschleicht. Und definitiv merke ich ich, wie die Tage kürzer werden und die Temperaturen zu sinken beginnen. Natürlich noch nichts dramatisches (von -30° sind wir hoffentlich noch ein paar Monate verschont!) und solange die Sonne scheint ist es auch noch gut ertragbar, aber gnade dir Gott wenn du im Morgengrauen oder in der Dämmerung unterwegs bist und nicht mindestens 3 Lagen Kleidung trägst- das ist jedenfalls meine Erfahrung. Und das folgende Foto nur als kleinen Beweis.



Meine Mitbewohnerin war so lieb und hat mir einige Second Hand Läden in der Umgebung gezeigt, damit ich mich vorsorglich noch mir ein paar mehr warmen Pullovern etc. eindecken kann. Die Preise für Kleidung in den staatlichen Kaufhäusern sind enorm hoch, und soweit ich das mitbekommen habe bestellen die Meisten im Internet oder kaufen eben Second Hand.
Das nur aber so nebenbei.

Zurück zum Thema


Wie versprochen werde ich in diesem Eintrag ein wenig über meine Arbeit hier erzählen, die sich in zwei Teile gliedert.

Zum einen arbeite ich in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen und helfe dort den angestellten Pädagogen mit der Betreuung und bastle selbst mit. Die Pädagogen haben soweit ich das mitbekommen habe sehr flexible Arbeitszeiten, so sind manchmal alle sechs auf einmal oder auch nur einer da. Die Werkstatt finanziert sich über den Verkauf von einer Bandbreite an verschiedenen Handarbeiten, so zB. haben wir die letzte Woche über kleine Nadelkissen in der Form von Hüten hergestellt.



Ansonsten werden auch Karten für Geburtstage oder andere Anlässe gedruckt bzw bestickt (was durchaus einiges an technischem Geschick fordert- ich hab ein paar Versuche gebraucht bis ich es geschafft habe die Rosen einigermaßen gleichmäßig hinzubekommen).



 



 Was mich wirklich beeindruckt hat, ist der Einfallsreichtum der Pädagogen. Von Nadelkissen zu Glückwunschkarten über Broschen und Statuen oder anderen Kleinigkeiten können die eigentlich alles aus recht simplen Materialien zaubern. 


Der Weg bis zum fertigen Produkt wird dabei in Unterschritte eingeteilt, die von verschiedenen Teilnehmern übernommen werden, je nach Schwierigkeitsgrad.

(Das hier ist zum Beispiel der Beginn der Nadelkissen - Stoffreste und Watte und Pappe)

 Es gibt Teilnehmer die wunderbar sticken und Nähen können aber mit der Heißklebepistole ihre Schwierigkeiten haben, oder auch umgekehrt. Die Teilnehmer sind halt alle sehr verschieden und es wird darauf geachtet jedem nach seinem individuellen Können mit in den Arbeitsprozess zu involvieren. 
Mir macht die Arbeit in der Werkstatt bisher sehr viel Spaß, was vor allem an der Atmosphäre und den Menschen liegt. Ich wurde unglaublich offen und herzlich mit eingeschlossen und trotz der Sprachbarriere verstehe ich mich mit den Meisten ganz wunderbar. Die Arbeit an sich kann sich nur teilweise etwas hinziehen und etwas repetitiv werden. 

In der Werkstatt bin ich jeweils Dienstag und Donnerstag, an den anderen Tagen bin ich bei dem Sohn von Natalia, der Chefin der Werkstatt. Ihr Sohn ist Mitte 30 und hat eine autistische Behinderung, wegen der er seit 6 Jahren die Wohnung nicht mehr verlassen hat und wenig selbstständig macht. Ich bin dafür zuständig dass er isst/trinkt und wenn er mag auch mit ihm lese bzw. mich mit ihm beschäftige. Dabei kommt es aber immer auf seine Tagesverfassung an, manchmal schweigen wir uns auch einfach nur an. Spaß macht ihm aber meistens sein Buchstabenbuch durchzugehen, was mir mit meinen rudimentärem Russisch auch gut tut. Das Buch selbst ist ein kleines bisschen älter und noch aus Sowjetzeiten (wie unschwer zu erkennen). 



Wenn das Wetter gut ist bin ich an einigen Tagen auch noch bei einem anderen Jungen, der in dem selben Wohnungskomplex wie Natalia wohnt und der mit einer sehr starken Behinderung im Rollstuhl sitzt. Mit ihm gehe ich dann eine Stunde in der Nachbarschaft spazieren, wobei mir sehr stark aufgefallen ist wie wenig Behindertengerecht die Stadt doch ist und wie wenig tolerant die Bevölkerung sein kann. Die Blicke, die uns beiden verstohlen zugeworfen werden (denn es gilt bloß Augenkontakt zu vermeiden!) sind meistens eine Mischung aus Mitleid, Unverständnis und Ärger darüber, mit einem Menschen mit Behinderung konfrontiert zu werden. Sehr schade. 

Aber gut. Soviel dazu! Ich bin recht zufrieden mit meiner Arbeit, bin aber auch gespannt was sich in den nächsten Monaten noch ergeben wird, bzw was sich mit meinen wachsenden Russisch Kenntnissen alles verändern wird. 


Und zum Abschluss gibt es wieder ein paar Bilder vom herbstlichen Minsk und Sonnenuntergängen. Schließlich kann es davon nie genug geben, oder?







Bis zum nächsten Mal,

- Annika



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