Auch wenn ich gegen Ende
meines letzten Posts eigentlich angedeutet hatte, dass mein nächster Eintrag
sich wohl mit meiner Arbeitsstelle beschäftigen würde, habe ich mich dazu
entschlossen damit doch noch länger zu warten – einfach um mehr Eindrücke zu
sammeln, die ich dann in einer angebrachten und strukturierteren Weise
weitergeben kann. Soviel sei aber schon einmal vorweg gesagt: Bisher macht es
mir sehr viel spaß!
Vorerst aber zurück zu
einem anderen Thema, und einer Frage mit der ich in den letzten Monaten
häufiger konfrontiert wurde, und zwar der großen Frage nach dem Warum.
Und um die zu beantworten
fange ich am Besten einfach ganz am Anfang an- mit meiner Bewerbung. (Es folgt
wieder die ausführliche Version, alle schnell gelangweilten können für eine
deutlich kürzere Fassung wieder bis zum letzten Paragraphen vorscrollen)
Gegen Anfang des 3.
Semesters der Oberstufe (also der 12. Klasse, dem letzten Schuljahr, wie auch
immer man es nennen mag) beginnt normalerweise für die meisten Schüler die
Zeit, in der von ihnen erwartet wird, sich ernsthaft mit der Frage „Und was
willst du nach der Schule machen?“ auseinanderzusetzen, und am Besten auch
schon gleich eine Antwort mit Stellenangebot und Bewerbung plus Lebenslauf
parat zu haben. Für mich befand sich diese Antwort aber trotz unzähliger
Infoveranstaltungen und Messen und Berufsberatungen immer noch in einem Buch
mit Sieben Siegeln, und mit der Zeit kristallisierten sich eher die Dinge
heraus, die ich auf gar keinen Fall direkt
nach der Schule machen wollte – so zum Beispiel studieren. Über ein paar Umwege
und subtile Hinweise aus familiären Kreisen fing ich dann letzten Endes an,
mich mit der Idee eines sozialen Freiwilligendienstes zu beschäftigen- das
Konzept für ein Jahr praktische Erfahrung im sozialen Bereich zu sammeln und
mich nicht sofort für einen späteren Beruf festlegen zu müssen, gefiel mir von
vornherein, und die Möglichkeit diesen Dienst auch im Ausland zu leisten und
dabei noch eine neue Sprache und Kultur kennen zu lernen machten die Sache
nochmal interessanter. (Und generell das entwicklungspolitische „weltwärts“
Konzept ist wahnsinnig spannend und es wert sich näher damit zu beschäftigen!)
Mit den Gedanken „Warum
eigentlich nicht?“ und „Mir fallen wirklich keine Gegenargumente ein“ fing ich
dann im späten Dezember 2013 an mich zu bewerben. Eigentlich viel zu spät,
sagen doch die meisten Internetportale, dass man sich spätestens ein Jahr im
Voraus bewerben sollte. Mir war das aber relativ Wurst und ich wurde auch recht
schnell zu diversen Auswahlwochenenden und Infoveranstaltungen eingeladen.
Am Ende entschied ich mich für die IJGD (Internationale Jugendgemeinschaftsdienste) als vermittelnde Organisation- die IJGD bestehen
aus einem Bundesverein und 13 Landesvereinen, allesamt als gemeinnützig
anerkannt und weder kirchlich noch parteipolitisch abhängig. Beworben hatte ich
mich hier bei der Geschäftsstelle in Bonn und damit von vorne herein
hauptsächlich für einen Freiwilligendienst in Osteuropa. Und zwar aus mehreren
Gründen, aber vor allen Dingen weil ich so gut wie gar nichts über einige der
angebotenen Länder wusste. Klar, schon irgendwie mal gehört, aber mir wurde
recht schnell klar, dass mein Bild dieser Länder zum Großteil auf Stereotypen
und schierer Unwissenheit beruhte, und es gibt wohl keinen besseren Weg diese
zu überwinden als das Subjekt der Wissenslücken persönlich kennen zu lernen.
Außerdem hatte ich nach
meinem Jahr Highschool in Colorado 2011/12 auch das Gefühl, vorerst genug
Eindrücke von der westlichen Welt gesammelt zu haben, und mir war schlichtweg
danach mal das komplette Gegenteil (nicht nur aus geographischer Sicht) kennen
zu lernen.
Soviel also zu Osteuropa -
Und warum Belarus?
Das ist die Frage, die sowohl
von Deutschen als auch Belarussen mit der gleichen Mischung aus Kuriosität,
Perplexität und Verwirrung gefragt wird. Die Antwort darauf ist eigentlich auch
recht simpel. Ich habe mich zwar nicht mit Belarus im Hinterkopf für einen
Freiwilligendienst im Ausland beworben, aber als ich mich bei dem ersten
Infotreffen der IJGD in Bonn im Januar 2014
mit einen Zettel einer Projektbeschreibung der „Belorussian Association
of Aid for Handicapped People“ in den Händen wiederfand, gab es eigentlich
keinen Zweifel mehr. Das Projekt entsprach genau dem, was ich mir für meinen
Freiwilligendienst vorgestellt hatte, und die Tatsache dass ich die Möglichkeit
bekommen würde Russisch zu lernen machte die Sache nur noch attraktiver. Ich
hab mich also eher für das Projekt als das Land entschieden, wobei ich noch mehr
zu dem Projekt sagen werde sobald ich über meinen Arbeitsalltag berichten werde.
Und jetzt einmal die wichtigsten Punkte zum Mitschreiben:
Belarus ist ein Land von dem der Eindruck vermittelt wird, das es Deutschland aus geographischer Sicht recht nah und vom kulturellen Standpunkt Welten entfernt ist. Ein Land über das es genau einen (!) Reiseführer gibt, und das von weltlichen Beobachtern vielzitiert als „letzte Diktatur Europas“ bezeichnet wird. Ich meine wie kann man da nicht neugierig werden?
Ich denke ich werde in
meinem Leben noch öfter die Chance haben nach Spanien zu reisen, oder nach
Frankreich oder nach England, all die Länder in denen es „sicher schöner wäre,
findest du nicht auch Annika?“ – aber die Chance eine einem auf den ersten
Blick komplett fremde Welt und Kultur (und im optimalen Fall auch noch dessen
Sprache!) kennen zu lernen bekommt man nicht oft. Also wäre ich doch eigentlich
schön blöd diese nicht bei der ersten Gelegenheit zu ergreifen, und ich bilde
mir ein, genau das mit der Entscheidung zum diesem Freiwilligendienst auch getan
zu haben.
Und falls sonst noch
irgendwelche Warum-Fragen zu dem Thema existieren, dann kann ja gleich meine
bevorzugte Gegenfrage gestellt werden: Warum zum Teufel eigentlich nicht?
Ich hoffe der Post konnte
ein wenig Licht auf die Motive hinter meinem Dienst in Belarus werfen,
ansonsten sind Fragen natürlich immer gerne willkommen! (Und ich verspreche
auch, dass ich versuchen werde mehr als nur „Warum nicht?“ zu antworten)
Bis dahin - hier noch ein
Bild von dem Sonnenuntergang über Minsk von vor ein paar Tagen.
- Annika