Sonntag, 21. September 2014

Intermezzo - Oder auch: und warum genau musste es nun Belarus sein?


Auch wenn ich gegen Ende meines letzten Posts eigentlich angedeutet hatte, dass mein nächster Eintrag sich wohl mit meiner Arbeitsstelle beschäftigen würde, habe ich mich dazu entschlossen damit doch noch länger zu warten – einfach um mehr Eindrücke zu sammeln, die ich dann in einer angebrachten und strukturierteren Weise weitergeben kann. Soviel sei aber schon einmal vorweg gesagt: Bisher macht es mir sehr viel spaß!

Vorerst aber zurück zu einem anderen Thema, und einer Frage mit der ich in den letzten Monaten häufiger konfrontiert wurde, und zwar der großen Frage nach dem Warum.

Und um die zu beantworten fange ich am Besten einfach ganz am Anfang an- mit meiner Bewerbung. (Es folgt wieder die ausführliche Version, alle schnell gelangweilten können für eine deutlich kürzere Fassung wieder bis zum letzten Paragraphen vorscrollen)

Gegen Anfang des 3. Semesters der Oberstufe (also der 12. Klasse, dem letzten Schuljahr, wie auch immer man es nennen mag) beginnt normalerweise für die meisten Schüler die Zeit, in der von ihnen erwartet wird, sich ernsthaft mit der Frage „Und was willst du nach der Schule machen?“ auseinanderzusetzen, und am Besten auch schon gleich eine Antwort mit Stellenangebot und Bewerbung plus Lebenslauf parat zu haben. Für mich befand sich diese Antwort aber trotz unzähliger Infoveranstaltungen und Messen und Berufsberatungen immer noch in einem Buch mit Sieben Siegeln, und mit der Zeit kristallisierten sich eher die Dinge heraus, die ich auf gar keinen Fall direkt nach der Schule machen wollte – so zum Beispiel studieren. Über ein paar Umwege und subtile Hinweise aus familiären Kreisen fing ich dann letzten Endes an, mich mit der Idee eines sozialen Freiwilligendienstes zu beschäftigen- das Konzept für ein Jahr praktische Erfahrung im sozialen Bereich zu sammeln und mich nicht sofort für einen späteren Beruf festlegen zu müssen, gefiel mir von vornherein, und die Möglichkeit diesen Dienst auch im Ausland zu leisten und dabei noch eine neue Sprache und Kultur kennen zu lernen machten die Sache nochmal interessanter. (Und generell das entwicklungspolitische „weltwärts“ Konzept ist wahnsinnig spannend und es wert sich näher damit zu beschäftigen!)
Mit den Gedanken „Warum eigentlich nicht?“ und „Mir fallen wirklich keine Gegenargumente ein“ fing ich dann im späten Dezember 2013 an mich zu bewerben. Eigentlich viel zu spät, sagen doch die meisten Internetportale, dass man sich spätestens ein Jahr im Voraus bewerben sollte. Mir war das aber relativ Wurst und ich wurde auch recht schnell zu diversen Auswahlwochenenden und Infoveranstaltungen eingeladen.


 Am Ende entschied ich mich für die IJGD (Internationale Jugendgemeinschaftsdienste) als vermittelnde Organisation- die IJGD bestehen aus einem Bundesverein und 13 Landesvereinen, allesamt als gemeinnützig anerkannt und weder kirchlich noch parteipolitisch abhängig. Beworben hatte ich mich hier bei der Geschäftsstelle in Bonn und damit von vorne herein hauptsächlich für einen Freiwilligendienst in Osteuropa. Und zwar aus mehreren Gründen, aber vor allen Dingen weil ich so gut wie gar nichts über einige der angebotenen Länder wusste. Klar, schon irgendwie mal gehört, aber mir wurde recht schnell klar, dass mein Bild dieser Länder zum Großteil auf Stereotypen und schierer Unwissenheit beruhte, und es gibt wohl keinen besseren Weg diese zu überwinden als das Subjekt der Wissenslücken persönlich kennen zu lernen.
Außerdem hatte ich nach meinem Jahr Highschool in Colorado 2011/12 auch das Gefühl, vorerst genug Eindrücke von der westlichen Welt gesammelt zu haben, und mir war schlichtweg danach mal das komplette Gegenteil (nicht nur aus geographischer Sicht) kennen zu lernen.

Soviel also zu Osteuropa - Und warum Belarus?
Das ist die Frage, die sowohl von Deutschen als auch Belarussen mit der gleichen Mischung aus Kuriosität, Perplexität und Verwirrung gefragt wird. Die Antwort darauf ist eigentlich auch recht simpel. Ich habe mich zwar nicht mit Belarus im Hinterkopf für einen Freiwilligendienst im Ausland beworben, aber als ich mich bei dem ersten Infotreffen der IJGD in Bonn im Januar 2014  mit einen Zettel einer Projektbeschreibung der „Belorussian Association of Aid for Handicapped People“ in den Händen wiederfand, gab es eigentlich keinen Zweifel mehr. Das Projekt entsprach genau dem, was ich mir für meinen Freiwilligendienst vorgestellt hatte, und die Tatsache dass ich die Möglichkeit bekommen würde Russisch zu lernen machte die Sache nur noch attraktiver. Ich hab mich also eher für das Projekt als das Land entschieden, wobei ich noch mehr zu dem Projekt sagen werde sobald ich über meinen Arbeitsalltag berichten werde.


Und jetzt einmal die wichtigsten Punkte zum Mitschreiben:


Belarus ist ein Land von dem der Eindruck vermittelt wird, das es Deutschland aus geographischer Sicht recht nah und vom kulturellen Standpunkt Welten entfernt ist. Ein Land über das es genau einen (!) Reiseführer gibt, und das von weltlichen Beobachtern vielzitiert als „letzte Diktatur Europas“ bezeichnet wird. Ich meine wie kann man da nicht neugierig werden?
Ich denke ich werde in meinem Leben noch öfter die Chance haben nach Spanien zu reisen, oder nach Frankreich oder nach England, all die Länder in denen es „sicher schöner wäre, findest du nicht auch Annika?“ – aber die Chance eine einem auf den ersten Blick komplett fremde Welt und Kultur (und im optimalen Fall auch noch dessen Sprache!) kennen zu lernen bekommt man nicht oft. Also wäre ich doch eigentlich schön blöd diese nicht bei der ersten Gelegenheit zu ergreifen, und ich bilde mir ein, genau das mit der Entscheidung zum diesem Freiwilligendienst auch getan zu haben.


Und falls sonst noch irgendwelche Warum-Fragen zu dem Thema existieren, dann kann ja gleich meine bevorzugte Gegenfrage gestellt werden: Warum zum Teufel eigentlich nicht?


Ich hoffe der Post konnte ein wenig Licht auf die Motive hinter meinem Dienst in Belarus werfen, ansonsten sind Fragen natürlich immer gerne willkommen! (Und ich verspreche auch, dass ich versuchen werde mehr als nur „Warum nicht?“ zu antworten)


Bis dahin - hier noch ein Bild von dem Sonnenuntergang über Minsk von vor ein paar Tagen.







- Annika

Donnerstag, 18. September 2014

Kapitel 2: Eine kleine Geschichte der „Sonnenstadt“


Ich weiß nicht so genau wo ich am Besten anfange, denn in den letzten Tagen ist einiges passiert - unter Anderem hat mich mein Internet leider vorerst wieder verlassen  und es ist noch nicht klar wann ich wieder einen Zugang haben werde. Deswegen bin ich mir auch nicht sicher wann ich diesen Eintrag posten kann, aber schreiben wollte ich ihn jetzt trotzdem schon mal. Aber vornweg für die Neugierigen erstmal ein Bild von meinem Zimmer.


„Jetzt“ bedeutet Freitag, der 12. September 2014, 22:49 Osteuropäischer Sommerzeit, und anders als in dem Bild ist es zwar draußen gerade stockdunkel aber ansonsten stimmen die Details- ich sitze mit einer Tasse Tee („Чаи) vor meinem Laptop.

Heute war mein erster Arbeitstag, bzw. die Vorbereitung auf den offiziellen Programmstart am Montag. Die letzten Tage hatte ich ansonsten zum Großteil frei, Vormittags standen nur ein paar Besprechungen auf der Tagesordnung, von daher blieb mir viel Zeit Minsk weiter zu erkunden und mir ein erstes Bild von (zumindest Teilen) der Stadt zu machen.
Minsk lässt sich meiner Meinung nach nur schwer beschreiben. Es ist eine Stadt mit vielen verschiedenen Facetten, und ebenso vielen Kontrasten, was natürlich in direktem Zusammenhang mit der Geschichte der „Sonnenstadt“ steht. Daher folgt nun eine kleine Exkursion, für alle die sich wenigstens ein klein wenig für Geschichte interessieren können.  Der Rest darf die folgenden Absätze getrost überspringen und bis zu den Bildern weiter scrollen.

Wenn auch die Meisten nicht viel über Minsk oder Belarus (oder den Zusammenhang dieser zwei Wörter) wissen, so ist doch den meisten eines bekannt: Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war Minsk fast vollständig zerstört.
Den Anfang bildete dafür der Einmarsch der Nazis im Juni 1941 und die 1100 Tage unter deutscher Herrschaft in denen die Bevölkerung der gnadenlosen Willkür der Nazis ausgesetzt war - Massenhinrichtungen und Verschleppungen standen dabei genauso an der Tagesordnung wie extreme Nahrungsknappheit, da die vorhandenen Ressourcen hauptsächlich an die Besatzungsmacht und deren Heer ging. Als am 3. Juli 1944 Minsk dann schließlich von den Sowjetischen Truppen befreit wurde (der Tag wird heute übrigens noch als nationaler Unabhängigkeitstag zelebriert), war die Stadt aufgrund der andauernden Kämpfe und der Beharrlichkeit der Nazis fast vollständige zerstört - von den Häusern, den Fabriken, den Regierungsgebäuden und der Infrastruktur war nur noch wenig übrig, und die Bevölkerungszahl war von 300.000 zu Beginn des Krieges 1939 auf nicht mehr als ca. 50.000 gesunken.
Nachdem der Vorschlag die Ruinen von Minsk unberührt zu lassen, und die Hauptstadt nach Mogilev zu legen abgelehnt wurde, begann 1945 (gleich nach der endgültigen Niederlage der Nazis) der Prozess des Wiederaufbaus. Der Begriff „Wiederaufbau“ kann hierbei jedoch etwas falsch verstanden werden: Es wurde nicht das rekonstruiert, was vorher einmal dagewesen war (mit der Ausnahme einer kleinen Altstadt, der Старий город,) sondern es entstand eine komplett neue Stadt mit imposanten Gebäuden, extravaganten Boulevards und großen Plätzen – alles in einem pompösen Stil, der synonym mit Stalin wurde. Während diesem Prozess begann die Stadt wieder aufzublühen, mehr und mehr Menschen zogen vom Land in die Stadt und mit dem immer größer werdenden Andrang begannen auch die typischen Hochhäuser, die eine hohe Bevölkerungsdichte erlauben, aus dem Boden zu sprießen.
Mit dem Fall der Sowjetunion war Belarus als junge Nation gezwungen, sich neu zu orientieren (was viele Schwierigkeiten mit sich brachte, auch in Anbetracht der Nachwirkungen der Tschernobyl Katastrophe) – in Minsk wurden viele ehemalige Regierungsgebäude der Sowjetunion beispielsweise zu Botschaften umfunktioniert.
Und auch in Anbetracht der wirtschaftlich instabilen Lage werden viele Bauprojekte in Minsk weiterhin vom Staat finanziert, so zB. eine Erweiterung des Metronetzes, der Wohnungsbau und der Ausbau der Straßen. Oder auch die Erneuerung der Abstempelautomaten für Tickets in Bus und Metro – eine Investition zur Hockey WM die 2014 in Belarus ausgetragen wurde, und die von vielen Einwohner eher mit einem bitteren Lächeln zur Kenntnis genommen wurde.
Fakt ist jedoch, dass Minsk auch weiterhin unangefochtener Mittelpunkt und das Vorzeigeprojekt von Belarus ist, und der Großteil der jungen Bevölkerung früher oder später her ziehen will (auch aufgrund der zahlreichen Universitäten) – und was das für Auswirkungen auf die Dörfer und die Landwirtschaft hat kann man sich wahrscheinlich auch gut vorstellen

Soviel jedoch vorerst zur Geschichte von Minsk. Die Details zur Geschichte habe ich hauptsächlich aus meinem englischsprachigen Reiseführer zu Belarus bezogen, dem einzigen den es momentan gibt. Bei Interesse kann also da noch weitergelesen werden. 
 Und zum Abschluss dieses kleinen Ausflugs in die jüngere Vergangenheit der „Sonnenstadt“ noch ein Zitat von Artur Klinau, in dem die Ästhetik und die Idee der Stadt recht gut zusammengefasst wird:

Wenn die kommunistische Utopie ein Projekt zur Errichtung des allgemeinen Glücks war, dann musste die ideale Stadt die ‚Ästhetik des Glücks erschaffen, deren Ausgestaltung davon abhing, wie sich die Erbauer dieser Utopie das Glück vorstellten. Die Traumästhetik des Arbeiter- und Bauernstaats war mit den Dingen verbunden, deren die unterdrückten Klassen zuvor beraubt gewesen waren: mit den Träumen von einem schönen, reichen Leben. Der Mensch der kommunistischen Zukunft sollte nicht in armseligen Hütten und Plattenbauten leben, sondern in prächtigen Palästen von den schönsten Parks mit Brunnen und Skulpturen umgeben. Zwischen den Palästen sollten breite Alleen verlaufen, umspielt von exotischen Blumen und dem Grün der Bäume. An den wichtigsten Orten der Sonnenstadt mussten sich majestätische Plätze befinden, auf denen sich die glücklichen Einwohner zu fröhlichen Festen und Massenparaden versammeln.“

 (Artur Klinau, „Minsk- Sonnenstadt der Träume“, Suhrkamp 2006)

Und genau so ist es auch. Jedenfalls auf den ersten Blick.

















Auf den zweiten Blick kann es dann auch schon wieder ganz anders aussehen.





Wobei natürlich auch diese Seite Minsk seine eigene Schönheit hat.









 Aber wie gesagt: Kontraste.































Soviel jedenfalls dazu. 



Meine Wohnung liegt, wie bereits erwähnt, relativ am Rand von Minsk, mit einem wunderschönen Wald in der Nähe den ich während meiner morgendlichen Joggingrunden auch schon näher erkunden konnte. Zu Fuß findet man sowieso eigentlich immer die schönsten Plätze- auch wenn diese nicht inzwischen der Prunkbauten der Innenstadt liegen.





Und damit habe ich eigentlich auch wieder viel zu viel geschrieben. Es ist jetzt 0:24, und ich hoffe sehr, dass ich bald wieder Internet habe damit dieses Monstrum an Post auch seinen Sinn erfüllen kann.
Mein nächster Eintrag wird dann wahrscheinlich zu meiner Arbeitsstelle sein-
Bis dahin!

-Annika 


Montag, 8. September 2014

Kapitel 1: Der Abschied und die Abreise (oder auch: Zwei sehr lange Tage)

Falls es die Tatsache, dass ich hier schreibe nicht vornwegnimmt: Ich bin gut angekommen, habe auch schon die erste Nacht in meiner neuen Wohnung verbracht und (besonders wichtig) ich habe auch Zugang zum W-Lan des Nachbarn. Jetzt gerade ist es Montag, der 8.09. 10:35 (Belorussischer Zeit) und ich habe noch ein wenig Zeit bevor ich mich nachher auf den Weg zum ersten Organisationstreffen machen muss. 
Die letzten zwei Tage waren sehr anstrengend, nicht nur physisch (18 Stunden Zugfahrt sind wohl komfortabler als 18 Stunden Busfahrt, aber trotz alledem auch kein Wellsnesurlaub) sondern auch emotional - Abschied nehmen ist nie schön. 
Mein letzter Abend inklusive Abschiedsfeier war wunderschön- zwar bittersüß, als es dann ans Verabschieden ging, aber alle meine Liebsten noch einmal um mich zu haben war es allemal wert.
Der Zug nach Minsk fuhr am Samstag erst um 21:03 vom Hauptbahnhof aus, von daher hatte ich den Tag über noch Zeit letzte Formalitäten zu regeln, das gepackte noch einmal zu überprüfen etc, bis wir uns dann gegen halb Acht auf den Weg zum Bahnhof machten, um auch ja pünktlich zu sein. 
Dort angekommen mussten wir aber erstmal feststellen, dass die Sorge um eine eventuelle Verspätung meinerseits vollkommen unbegründet war: 90+ Minuten für meinen Zug, aufgrund der Auswirkungen des Streiks der Zugführer früher am Tag. 


Deswegen hatten ich und die anderen drei Mädchen, die mit mir einen Freiwilligendienst in Minsk über die IJGD leisten, erstmal noch ein bisschen mehr Zeit als erwartet. Aus 90 Minuten wurden dann auch 100, aber  irgendwann kam dann auch die Durchsage dass unser Zug bald einfahren würde. 



 Dann hieß es auch keine Zeit mehr zu vergeuden, Sachen gegriffen, eine letzte Umarmung an alle, die es noch bis zu dem Zeitpunkt durchgehalten hatten, und dann ab in den Zug. Der erste Eindruck war "Wow, das ist ja sehr eng."- der zweite Eindruck dann "wow, das ist ja wirklich verdammt eng!". Ich weiß nicht inwiefern die Bilder das vermitteln können, aber es war in der Tat ... eng. Nichtsdestotrotz sehr gemütlich. Die Kabinen sind jeweils für Drei Personen ausgelegt, es gibt drei Stockwerke, wobei die unteren jeweils schon ausgebucht waren.



Wir hatten Glück und die dritte Person unserer Kabine war noch nicht zugestiegen - deswegen konnten wir erstmal in aller Ruhe versuchen die Massen an Gepäck zu verstauen, gerade noch bevor die Zugbegleiterin kam und das Sitzabteil in einen Schlafwagen verwandelt hat. Danach gab es eigentlich nicht mehr viel zu tun außer zu schlafen. Gegen zwei Uhr nachts stieß dann in Warschau noch der dritte Passagier unseres Abteils dazu, und um sieben Uhr wurden wir auch schon wieder von der Zugbegleiterin geweckt: die Grenzkontrolle von Polen nach Belarus stand kurz bevor.
Unsere Pässe wurden mehrfach kontrolliert, das Gepäck seinen Besitzern zugeordnet (aber nicht weiter kontrolliert) und anschließend noch ein Einreiseformular ausgefüllt. Zu guter letzt gab es dann zwei Stempel und die Fahrt konnte fortgesetzt werden, die ganze Prozedere dauerte insgesamt ca. 2 Stunden.
Es dauerte danach auch nicht lange bis zur nächsten Hürde: die Umbettung der Züge, da auch in Belarus die "russische Breitspur" verwendet wird, das heißt die Schienen sind dort unwesentlich breiter was zur Folge hat dass aus Westeuropa kommende Züge eigentlich nicht weiter fahren könnten.
Die Lösung dieses Problems ist aber eigentlich recht simpel: Der Zug wird in eine Werkstatt gefahren, dort wird er angehoben, der untere Fahrsatz mit Rädern etc. heraus geschoben und ein anderer untergesetzt. Und das alles während die Passagiere drin sitzen.


Die ganze Prozedur hat so um die 1 1/2 Stunden gedauert, was angesichts der Länge des Zuges auch sehr verständlich ist. Wir saßen derweil in unserem Abteil und tranken Tee mit unseren Nachbarn, die zwar hauptsächlich kein Wort bzw. nur sehr begrenzt Englisch oder Deutsch konnten, mit denen wir uns aber trotzdem fabelhaft verstanden.


Das heiße Wasser und die Becher gab es kostenlos von der Zugbegleiterin und den Tee plus Zucker haben wir von einer Nachbarin geschenkt bekommen.


 (Um den Vorgang zu vereinfachen wird der Zug aufgeteilt und die verschiedenen Wägen einzeln abgefertigt.)




Sobald der Zug wieder zusammengesetzt war ging es auch schon weiter. In Brest hatten wir dann aber trotzdem erstmal 20 Minuten Aufenthalt, was uns die Möglichkeit gab uns erstmals wieder die Beine vertreten zu können und ein wenig frische Luft atmen zu können. Auf dem Bahnhof liefen auch viele ältere Damen umher und versuchten uns Beeren, Äpfel oder Schinken zu verkaufen, was wir aber erstmal danken abgelehnt haben.


Um 16h örtlicher Zeit war es dann soweit: wir kamen am Minsker Hauptbahnhof an. Unsere Koordinatorin Yulja erwartete uns bereits und dann ging es daran uns in unsere jeweiligen Unterkünfte zu bringen. Ich wohne mit einer Freundin von Yulija und ihrem Vater zusammen, und zwar entgegen meiner Hoffnungen doch ziemlich am Rande von Minsk, was unter anderem an den immer weiter ansteigenden Mietpreisen in der Stadt liegt. Mit dem Bus fahre ich ca. 20 Minuten zur nächsten Metrostation, aber dafür ist hier in der Nähe eigentlich auch alles was man braucht: mehrere Supermärkte, ein kleines Wäldchen und eben die Bushaltestelle. Und ich habe meinen eigenen Balkon, dessen Aussicht die Lage auch schon wieder wett macht!


Mittlerweile ist es übrigens nicht mehr 10:35, sondern 22:37  und ein ziemlich ereignisreicher Tag liegt hinter mir, wir haben viel von Minsk gesehen und erste Besorgungen erledigt, Geld umgetauscht, eine Belarussische Handynummer besorgt und so weiter und so fort.
 Soviel aber vorerst zu meiner Anreise, mir geht es soweit gut. Morgen habe ich noch einen freien Tag bis dann am Mittwoch der Arbeitsalltag für mich beginnt. Dann werde ich auch sicherlich mehr zu berichten haben.

Bis dahin-


Annika.