Montag, 8. September 2014

Kapitel 1: Der Abschied und die Abreise (oder auch: Zwei sehr lange Tage)

Falls es die Tatsache, dass ich hier schreibe nicht vornwegnimmt: Ich bin gut angekommen, habe auch schon die erste Nacht in meiner neuen Wohnung verbracht und (besonders wichtig) ich habe auch Zugang zum W-Lan des Nachbarn. Jetzt gerade ist es Montag, der 8.09. 10:35 (Belorussischer Zeit) und ich habe noch ein wenig Zeit bevor ich mich nachher auf den Weg zum ersten Organisationstreffen machen muss. 
Die letzten zwei Tage waren sehr anstrengend, nicht nur physisch (18 Stunden Zugfahrt sind wohl komfortabler als 18 Stunden Busfahrt, aber trotz alledem auch kein Wellsnesurlaub) sondern auch emotional - Abschied nehmen ist nie schön. 
Mein letzter Abend inklusive Abschiedsfeier war wunderschön- zwar bittersüß, als es dann ans Verabschieden ging, aber alle meine Liebsten noch einmal um mich zu haben war es allemal wert.
Der Zug nach Minsk fuhr am Samstag erst um 21:03 vom Hauptbahnhof aus, von daher hatte ich den Tag über noch Zeit letzte Formalitäten zu regeln, das gepackte noch einmal zu überprüfen etc, bis wir uns dann gegen halb Acht auf den Weg zum Bahnhof machten, um auch ja pünktlich zu sein. 
Dort angekommen mussten wir aber erstmal feststellen, dass die Sorge um eine eventuelle Verspätung meinerseits vollkommen unbegründet war: 90+ Minuten für meinen Zug, aufgrund der Auswirkungen des Streiks der Zugführer früher am Tag. 


Deswegen hatten ich und die anderen drei Mädchen, die mit mir einen Freiwilligendienst in Minsk über die IJGD leisten, erstmal noch ein bisschen mehr Zeit als erwartet. Aus 90 Minuten wurden dann auch 100, aber  irgendwann kam dann auch die Durchsage dass unser Zug bald einfahren würde. 



 Dann hieß es auch keine Zeit mehr zu vergeuden, Sachen gegriffen, eine letzte Umarmung an alle, die es noch bis zu dem Zeitpunkt durchgehalten hatten, und dann ab in den Zug. Der erste Eindruck war "Wow, das ist ja sehr eng."- der zweite Eindruck dann "wow, das ist ja wirklich verdammt eng!". Ich weiß nicht inwiefern die Bilder das vermitteln können, aber es war in der Tat ... eng. Nichtsdestotrotz sehr gemütlich. Die Kabinen sind jeweils für Drei Personen ausgelegt, es gibt drei Stockwerke, wobei die unteren jeweils schon ausgebucht waren.



Wir hatten Glück und die dritte Person unserer Kabine war noch nicht zugestiegen - deswegen konnten wir erstmal in aller Ruhe versuchen die Massen an Gepäck zu verstauen, gerade noch bevor die Zugbegleiterin kam und das Sitzabteil in einen Schlafwagen verwandelt hat. Danach gab es eigentlich nicht mehr viel zu tun außer zu schlafen. Gegen zwei Uhr nachts stieß dann in Warschau noch der dritte Passagier unseres Abteils dazu, und um sieben Uhr wurden wir auch schon wieder von der Zugbegleiterin geweckt: die Grenzkontrolle von Polen nach Belarus stand kurz bevor.
Unsere Pässe wurden mehrfach kontrolliert, das Gepäck seinen Besitzern zugeordnet (aber nicht weiter kontrolliert) und anschließend noch ein Einreiseformular ausgefüllt. Zu guter letzt gab es dann zwei Stempel und die Fahrt konnte fortgesetzt werden, die ganze Prozedere dauerte insgesamt ca. 2 Stunden.
Es dauerte danach auch nicht lange bis zur nächsten Hürde: die Umbettung der Züge, da auch in Belarus die "russische Breitspur" verwendet wird, das heißt die Schienen sind dort unwesentlich breiter was zur Folge hat dass aus Westeuropa kommende Züge eigentlich nicht weiter fahren könnten.
Die Lösung dieses Problems ist aber eigentlich recht simpel: Der Zug wird in eine Werkstatt gefahren, dort wird er angehoben, der untere Fahrsatz mit Rädern etc. heraus geschoben und ein anderer untergesetzt. Und das alles während die Passagiere drin sitzen.


Die ganze Prozedur hat so um die 1 1/2 Stunden gedauert, was angesichts der Länge des Zuges auch sehr verständlich ist. Wir saßen derweil in unserem Abteil und tranken Tee mit unseren Nachbarn, die zwar hauptsächlich kein Wort bzw. nur sehr begrenzt Englisch oder Deutsch konnten, mit denen wir uns aber trotzdem fabelhaft verstanden.


Das heiße Wasser und die Becher gab es kostenlos von der Zugbegleiterin und den Tee plus Zucker haben wir von einer Nachbarin geschenkt bekommen.


 (Um den Vorgang zu vereinfachen wird der Zug aufgeteilt und die verschiedenen Wägen einzeln abgefertigt.)




Sobald der Zug wieder zusammengesetzt war ging es auch schon weiter. In Brest hatten wir dann aber trotzdem erstmal 20 Minuten Aufenthalt, was uns die Möglichkeit gab uns erstmals wieder die Beine vertreten zu können und ein wenig frische Luft atmen zu können. Auf dem Bahnhof liefen auch viele ältere Damen umher und versuchten uns Beeren, Äpfel oder Schinken zu verkaufen, was wir aber erstmal danken abgelehnt haben.


Um 16h örtlicher Zeit war es dann soweit: wir kamen am Minsker Hauptbahnhof an. Unsere Koordinatorin Yulja erwartete uns bereits und dann ging es daran uns in unsere jeweiligen Unterkünfte zu bringen. Ich wohne mit einer Freundin von Yulija und ihrem Vater zusammen, und zwar entgegen meiner Hoffnungen doch ziemlich am Rande von Minsk, was unter anderem an den immer weiter ansteigenden Mietpreisen in der Stadt liegt. Mit dem Bus fahre ich ca. 20 Minuten zur nächsten Metrostation, aber dafür ist hier in der Nähe eigentlich auch alles was man braucht: mehrere Supermärkte, ein kleines Wäldchen und eben die Bushaltestelle. Und ich habe meinen eigenen Balkon, dessen Aussicht die Lage auch schon wieder wett macht!


Mittlerweile ist es übrigens nicht mehr 10:35, sondern 22:37  und ein ziemlich ereignisreicher Tag liegt hinter mir, wir haben viel von Minsk gesehen und erste Besorgungen erledigt, Geld umgetauscht, eine Belarussische Handynummer besorgt und so weiter und so fort.
 Soviel aber vorerst zu meiner Anreise, mir geht es soweit gut. Morgen habe ich noch einen freien Tag bis dann am Mittwoch der Arbeitsalltag für mich beginnt. Dann werde ich auch sicherlich mehr zu berichten haben.

Bis dahin-


Annika.

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